Das Ergebnis des britischen Referendums zur EU-Mitgliedschaft war für viele von uns unerwartet und hat Auswirkungen auf die gesamte Eurozone und darüber hinaus. Das Votum führte zum Rücktritt des britischen Regierungschefs und zu plötzlichen Kurseinbrüchen der Währung und am Aktienmarkt.

Investoren Abschlüsse neu verhandelten oder sich völlig zurückzogen. Eine Pause war angesichts des eher politischen als wirtschaftlichen Schockzustands unvermeidbar. Ein paar Abschlüsse kamen zustande. Die Preise waren allerdings niedriger und die Transaktionsstruktur abgesichert.
Nun, da sich die erste Aufregung gelegt hat, zeigt sich, dass die Auswirkungen geringer sind als ursprünglich befürchtet und dass sich die Märkte angesichts der politischen Unsicherheit überraschend robust gezeigt haben. Die Finanzmärkte haben sich seit dem Referendum allgemein erholt und die Volatilität ist zurückgegangen.

Wie sich der Markt langfristig entwickelt ist unklar. Da die Unsicherheiten bezüglich des EU-Austrittsverfahrens und dessen Auswirkungen unverändert groß sind, ist nach wie vor Vorsicht geboten. Die Markterholung scheint jedoch anzudeuten, dass der Brexit die eigentlich positiven Rahmenbedingungen der Immobilienmärkte in Großbritannien und der Eurozone wahrscheinlich nicht grundlegend verändern wird.

Die britische Wirtschaft erweist sich als relativ robust. Eine neue Regierung ist bereits im Amt, und die Zentralbank hat diverse geldpolitische Maßnahmen ergriffen, um die Konjunktur anzukurbeln. Die schwächere Währung dürfte sich positiv auf den Export auswirken und hat dazu beigetragen, ausländische Investitionen anzuziehen. In der Eurozone dürften die Geldpolitik und die verbesserte Situation auf dem Arbeitsmarkt zur weiteren Stützung der Wirtschaft beitragen.
Es wird erwartet, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen erholen, sobald sich die Unsicherheit legt. Die Ökonomen vermuten, dass auf einen anfänglichen Abschwung ab 2018 ein langsamer Aufschwung folgt. Danach wird sich das Wachstum fortsetzen, da die Preise aufgrund des knappen Angebots auch weiterhin schneller steigen dürften als die Erträge.

Während sich die Stimmung auf dem Investitionsmarkt geändert hat, und die anfängliche Panik inzwischen einer größeren Zuversicht gewichen ist, hat sich auf dem Mietmarkt eine andere Dynamik entwickelt. Die Aktivitäten und Transaktionsvolumen lassen allgemein auf eine zuversichtliche Stimmung in der Wirtschaft schließen und führen zu einer positiven Prognose seitens der Immobilienwirtschaft.

Der weltweite Appetit auf Rendite und Sachwerte stützt sich auf eine solide Basis. Unterstützt von der Geldpolitik und einer abflachenden Zinskurve dürften Immobilien damit gegenüber anderen Anlageformen, wie verzinslichen Wertpapieren und Kapitalbeteiligungen, an Attraktivität gewinnen.

Immobilien sind durch die schwächere Währung attraktiver geworden. Allerdings hat sich durch das Votum der Druck erhöht, in Core Assets zu investieren. Die Unsicherheit rund um den Brexit wird sich zwar auf die Zuversicht der Anleger auswirken, aber der Markt verfügt über eine breite Anlegerbasis. Angesichts der anhaltenden Erholung der Wirtschaft geht man davon aus, dass Immobilien auch künftig eine attraktive Anlageform sind.

Die Preiskorrektur führt wahrscheinlich zu attraktiven Anlagemöglichkeiten. In einem Umfeld geprägt von einem hohen Maß an Unsicherheit und einer konservativeren Kreditvergabe werden sich die Investitionen vermutlich auf die solidesten Kernanlageklassen konzentrieren. Dies eröffnet Möglichkeiten für antizyklische Investitionsstrategien, die von den Verwerfungen auf den Kapitalmärkten profitieren.

Investitionsvolumen in Großbritannien (in Mrd. £)
UK investment volume (£BN)
Der Markt hatte sich gegenüber dem starken zweistelligen Wachstum der letzten Jahre bereits leicht abgekühlt. Das Referendum wird diesen Trend wahrscheinlich verstärken.
Quelle: LSH Research, Property Data, Property Archive

Rückschläge bergen Chancen

Nach den zweistelligen Wachstumsraten der letzten Jahre befand sich der Markt bereits in einer Phase der Abkühlung. Das Referendum dürfte diese Verlangsamung noch verstärken. In den Bereichen, die stärker von der EU abhängig sind, wie z.B. den Büros in London, dürfte dies die Renditen nach oben treiben und das Mietwachstum verlangsamen.

Das Referendum hat sich zwar auf den Londoner Markt für Büroimmobilien ausgewirkt, aber diese Auswirkungen waren weniger stark als erwartet. Der Finanzplatz London ist global ausgerichtet und daher von dem Referendum nur teilweise betroffen. Die Londoner City genießt auf den globalen Märkten auch weiterhin mehrere strukturelle Vorteile, die sich mit dem EU-Austritt nicht in Luft auflösen.

Einige Aktivitäten werden sich durch den Ausgang des Referendums verzögern, und Großbritannien wird bei einigen Investoren und Mietern an Popularität einbüßen. Andere Standorte in Europa werden auf Kosten von Großbritannien von dieser Entwicklung profitieren. Kurzfristig gesehen wird sich das Ergebnis wahrscheinlich stärker auf die Aktivitäten im Markt als auf die Werte auswirken, da letztere durch das begrenzte Angebot und die niedrigeren Zinsen gestützt werden.

Andere europäische Städte werden versuchen, ihre Stellung als Finanzzentrum zu verbessern. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich dabei eine einzige Stadt als künftiges Finanzzentrum herauskristallisiert. Stattdessen werden die Arbeitsplätze, die möglicherweise aus London abwandern, voraussichtlich auf mehrere europäische Städte verteilt werden, wobei wahrscheinlich sowohl Dublin und Frankfurt als auch Paris und Amsterdam zu den Gewinnern zählen werden.

Die Kreditpolitik wird wahrscheinlich konservativer und möglicherweise steigen auch die Kosten für Darlehen. Dies führt zu einem Finanzierungsmarkt mit einer noch stärker ausgeprägten Zweiteilung, der Investitionen in Core Assets bevorzugt. Aber sowohl die Zentralbanken als auch die Eigentümer werden auch künftig Druck auf die Banken ausüben, Immobiliendarlehen zu vergeben. Vorstellbar ist, dass die Banken bei der Finanzierung von Immobilien, die nicht zum Kernportfolio gehören, eine zusätzliche Risikoprämie einführen.

Durch die vorübergehende Unsicherheit mit verringerter Liquidität rückt die Stabilität langfristiger Eigen- und Fremdmittel stärker in den Vordergrund. Über einen Punkt scheinen sich die Beobachter einig zu sein: Legen die Banken strengere Maßstäbe an die Kreditvergabe an und finanzieren verstärkt Immobilien im Kernportfolio, so ergibt sich für andere Kreditgeber und Beteiligungsinvestoren die Möglichkeit, die Finanzierungslücke in der Kapitalstruktur zu schließen.

Der durchschnittliche private Wohnungssektor dürfte auch weiterhin attraktive Wertzuwächse bieten, da die Bevölkerung weiter wächst. Diese Entwicklung ist abgekoppelt von der Migration und den regulatorischen Zwängen, die sich auf das Immobilienangebot auswirken und gegen die die Politik nichts unternimmt. Die durch das Referendum verursachte Pause auf dem Immobilienmarkt dürfte die Möglichkeit bieten, Bauland für Wohnungsprojekte in attraktiven Lagen zu erwerben.

Daneben profitiert der Wohnungsmarkt von den strukturellen Änderungen, die sich durch den Brexit noch verstärkt haben. Man erwartet, dass sich die Unsicherheit auf die Kaufbereitschaft auswirken und das Transaktionsvolumen verringern wird. Im privaten Mietsektor dürfte die Nachfrage steigen. Dieser Sektor wird sich für Käufer und institutionelle Anleger, die laufende Erträge und Wertsteigerung suchen, zunehmend zu einer attraktiven Alternative entwickeln.

In Europa werden sich die Investitionen wahrscheinlich auf stabile Vermögenswerte in den Kernmärkten konzentrieren und dabei möglicherweise Kapital von mittelgroßen Städten, die einen höheren Ertrag bieten, abziehen. In den Kernmärkten könnte die Nachfrage insgesamt steigen, da die herrschende Unsicherheit und die quantitative Lockerung der Geldpolitik zum Kauf ermutigen und die Spitzenrenditen nach unten drücken.

In der Folge könnten die Preise in den sekundären Wachstumsmärkten Europas attraktiver werden. In einigen Fällen liegen die Preise in diesen Märkten bereits über den historischen Preisspannen der Primärmärkte. Auch beim Mietpreis werden höchste Zuwachsraten prognostiziert.

The FTSE 100
Der Wertverlust des Pfunds seit dem Brexit-Votum hat den FTSE 100-Index gestärkt, da viele internationale Unternehmen, deren Aktien in Großbritannien gehandelt werden, tendenziell von einem schwächeren Pfund profitieren.

Der FTSE 250-Index dagegen hinkt seit der Brexit-Abstimmung dem FTSE 100-Index hinterher. Denn während das schwächere britische Pfund die Absatzchancen der eher global ausgerichteten Unternehmen erhöht, dominiert bei den eher am Heimatmarkt Großbritannien orientierten Unternehmen im FTSE 250-Index die Sorge bezüglich der weiteren Entwicklung.

Quelle: Bank of England, Financial Times, BBC

Keep calm and carry on

Der Austritt Großbritanniens aus der EU wird sich über mehrere Jahre hinziehen, und noch ist es viel zu früh ihn als unbedeutend abzutun. Der volle Umfang der Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Finanzmarkt wird sich erst in den kommenden Quartalen und Jahren abzeichnen. Für eine Bewertung der wirtschaftlichen Folgen des Brexits ist es noch zu früh.

Die unmittelbaren Folgen des Votums jedoch waren gering. Viele Märkte haben sich bereits erholt und sind heute auf einem höheren Stand als vor dem Referendum. Der Brexit wird auch weiterhin für Volatilität auf den Märkten sorgen, aber dies wird mit der Zeit nachlassen. Die Ökonomen gehen davon aus, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen verbessern werden, sobald die erste Unsicherheit überwunden ist. Die wichtigsten Faktoren, die die Erholung der Märkte fördern, dürften auch weiterhin das Wachstum unterstützen.

Die zunehmenden Verwerfungen auf den Kapitalmärkten und die strengeren Kreditstandards bieten für Investoren mit Kompetenzen in den Bereichen Planung und Bau, verfügbarem Kapital und soliden Bilanzen beträchtliche Möglichkeiten. Bei einem langfristigen Business Plan und ausreichender Flexibilität hat das Ergebnis des Referendums einen Rahmen geschaffen, um Kapital in antizyklischen Strategien mit langer Laufzeit und attraktiven, risikoadäquaten Renditen einzusetzen.