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Sport ist Big Business, aber geschäftliche Entscheidungen im Sport werden häufig von Emotionen beeinflusst. Vor allem im Fußball geht es um riesige Summen, und doch hört man immer wieder von wirtschaftlichem Missmanagement und bankrotten Vereinen. In Europa versucht die UEFA durch ein Reglement zum finanziellen Fairplay Ordnung in das Chaos zu bringen. Laut diesem Reglement dürfen die Verbindlichkeiten von Vereinen, die an UEFA-Wettbewerben teilnehmen möchten, einen bestimmten Rahmen nicht überschreiten. Kosten für Investitionen in Stadien sind von der Break-even-Berechnung jedoch ausgenommen. Bei den reicheren Vereinen führt dies wohl zu einer Verzerrung der Rendite zugunsten eines Ausbaus und einer Modernisierung der Stadien, die Einnahmen generieren.

Aber wie groß ist zu groß? Ab welchem Punkt verringern sich durch den Ausbau eines Stadions die Renditen? Und was bedeutet dies für die Vereine in weniger finanzstarken Ligen, die ohne reiche Investoren wirtschaftlich überleben müssen?

Nachfrage generieren

Im Gegensatz zu den Nationalstadien stammt bei den meisten Vereinsstadien der Großteil der Einnahmen aus einer Kombination aus regulärem Kartenverkauf (entweder direkt oder über einen gemeinnützigen Verein), Mitgliederprogrammen (einschließlich Schuldverschreibungen) und Catering (Abb. 1). Nebennutzungen wie z. B. Konzerte und Konferenzen spielen eine wichtige Rolle. Ihr Erfolg lässt sich durch gute Planung und die richtige Kombination verschiedener Einrichtungen noch steigern. Aber am wichtigsten für den Erfolg eines Stadions sind hohe Besucherzahlen und die Bereitstellung von Angeboten, die es allen Besuchern ermöglichen, im Rahmen ihrer Mittel Geld auszugeben.

Abbildung 1: Typische Einnahmestruktur von Stadien

Abbildung 1: Typische Einnahmestruktur von Stadien
Basierend auf einer Umfrage unter 70 Stadien mit über 10.000 Plätzen in 22 Ländern.
Source: SPORT+MARKET AG

Die Generierung von Nachfrage beginnt mit dem Erfolg auf dem Spielfeld. In anderen Worten: Erfolgreiche Mannschaften (und Ligen) locken insgesamt mehr Besucher an. Als Shachtar Donezk, eine der Top-Mannschaften der Ukraine, 2010 die brandneue Donbass Arena mit 52.000 Plätzen eröffnete, verdoppelten sich die Besucherzahlen. In drei der ersten vier Spielzeiten waren manche Spiele des Vereins sogar ausverkauft (Abb. 2). Das spektakuläre neue Stadion spielte für den Erfolg zwar zweifelsohne eine Rolle, am wichtigsten aber waren die enormen Investitionen in die Mannschaft, die dadurch regelmäßig in der UEFA Champions League und der Europa League spielte. Die größte Investition des Vereins war nicht das Stadion. Mit acht der zehn teuersten Transfers in der Geschichte der Ukraine baute Shachtar Donezk für die Teilnahme an der Champions League einen Kader mit vielen etablierten internationalen Spielern auf.

Als Coventry City dagegen 2005 in die brandneue Ricoh Arena zog, stiegen die Besucherzahlen zwar anfangs, brachen dann jedoch abrupt ein, als den Verein das Glück auf dem Rasen verließ und er in mehreren aufeinanderfolgenden Relegationen in die dritte Liga des englischen Fußballs abstieg (Abb. 3).

Abbildung 2: Shachtar Donezk – Entwicklung der Besucherzahlen

Abbildung 2: Shachtar Donezk – Entwicklung der Besucherzahlen
Based on a survey of 70 stadium of more than 10,000 seats in 22 countries.
Source: european-football-statistics.co.uk

Abbildung 3: Coventry City – Entwicklung der Besucherzahlen

Abbildung 3: Coventry City – Entwicklung der Besucherzahlen
Source: european-football-statistics.co.uk

Alle Vereine, die ihre Fangemeinde aufrechterhalten und stärken möchten, müssen dafür sorgen, dass die Spiele im Stadion eine höhere Anziehungskraft haben als das zunehmend attraktive Angebot des Home Entertainments – dies ist durchaus eine Herausforderung. Nie war es einfacher als heute, Fußballspiele in hoher Auflösung und auf mehreren Kanälen gemütlich zu Hause anzusehen. Das Live-Erlebnis eines Stadionbesuchs muss hier also etwas entgegensetzen. Ein Fußballbesuch im Stadion muss spannend, sicher und komfortabel sein und viele verschiedene Angebote umfassen, um einer zunehmend breiten und vielschichtigen Fangemeinde gerecht zu werden.

Will man den Fans ein außergewöhnliches Erlebnis bieten, so muss jeder Aspekt des Spieltags, vom Kartenverkauf vor dem Spiel bis zur sicheren Heimfahrt nach dem Spiel, berücksichtigt und genau durchdacht werden. Dies erfordert:

  • Einen nahtlosen und effizienten Einsatz von technischen Systemen
  • Sichere, gut beschilderte Ein- und Ausgänge, die eine effiziente Abwicklung ermöglichen (wobei die Erfahrungen beim Verlassen des Stadions nach dem Spiel besonders wichtig sind)
  • Ein reichhaltiges Angebot an Imbissen und Getränken in verschiedenen Preisklassen
  • Familienfreundliche Einrichtungen
  • Eine hervorragende Sicht von jedem Platz, und
  • Eine großartige Stadionatmosphäre

Der letzte Aspekt ist als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal des Stadionbesuchs besonders bedeutend

Seltenheitswert

Eine unvergessliche Atmosphäre entsteht nur in einem ausverkauften Stadion. Neben diesem Argument sprechen aber noch weitere harte wirtschaftliche Fakten dafür, regelmäßig für ein ausverkauftes Stadion zu sorgen: Knappe Produkte haben einen höheren Wert und werden daher zu einem höheren Preis verkauft. Dies gilt auch für Fußballkarten. Für Fußballvereine spielt das Phänomen des Seltenheitswerts eine äußerst wichtige Rolle. Er treibt die Nachfrage nach Saisontickets und Schuldverschreibungen, den zwei regelmäßigsten Formen des Einkommens, die hohe Planungssicherheit bieten. Nicht jedes Spiel muss ausverkauft sein. Aber wenn genügend der attraktiveren Spiele ausverkauft sind, kaufen die Fans Saisonkarten, um so ganz sicherzugehen, dass sie auch für die attraktiveren Spiele Karten bekommen. Dies wiederum treibt dann die Besucherzahlen und die Einnahmen bei den weniger begehrten Spielen in die Höhe.

Eines der besten Beispiele, wie man den Seltenheitswert nutzen kann, ist der Kartenverkauf für die Spiele der englischen Nationalmannschaft im Wembley-Stadion durch die Football Association. Diese Karten werden häufig nur im 3er-Pack abgeben, d.h. kauft man eine Karte für eine hochrangige Partie (z. B. gegen Brasilien oder Deutschland), erwirbt man gleichzeitig zwei Karten für Spiele gegen weniger bekannte Mannschaften. Auf diese Art generiert der Seltenheitswert der Karte für das Top-Spiel zusätzliche Kartenverkäufe (und Einnahmen) für die anderen zwei Spiele, bei denen die Besucherzahlen sonst sehr viel niedriger gewesen wären.

Abbildung 4: Stadionauslastung vs. -kapazität der europäischen Top-Ligen

Abbildung 4: Stadionauslastung vs. -kapazität der europäischen Top-Ligen
Source: AECOM

Wann wird ein Großstadion zu groß?

Aufgrund der Verzerrung der „normalen“ wirtschaftlichen Gegebenheiten durch das finanzielle Fairplay Reglement ist es für Fußballvereine mit regelmäßig ausverkauften Stadien verlockend, auf weiteres Wachstum zu setzen. Dieser Trend zeigt sich insbesondere in der englischen Premier League, wo die Stadien der führenden Vereine durch Neu- und Ausbau in Richtung Großstadien mit über 60.000 Plätzen tendieren. Der Schuss könnte jedoch nach hinten losgehen. Ein Beispiel hierfür ist die Serie A, die höchste Spielklasse in Italien. Dort kämpfen viele der Top-Vereine mit dem Erbe aus dem Programm zum Stadionbau für die FIFA-Weltmeisterschaft 1990 und spielen in halb leeren und veralteten Stadien. Die eher zukunftsorientierten Vereine jedoch kämpfen erfolgreich gegen diesen Trend an. So hatte beispielsweise der Verein Juventus Turin, die „große alte Dame“ des italienischen Fußballs, enorme Schwierigkeiten sein Stadion mit 67.000 Plätzen zu füllen. Das Stadion war im Durchschnitt nur jeweils zu einem Drittel gefüllt. Der Verein entschied sich daher das alte Stadion abzureißen, um Platz für ein brandneues Stadion mit 41.000 Plätzen und modernen Einrichtungen der Spitzenklasse zu schaffen. Die Spiele im Stadion sind nun regelmäßig ausverkauft und in den letzten Spielzeiten betrugen die durchschnittlichen Besucherzahlen gut über 90 % der Stadionkapazität.

Was bedeutet es nun aber für den Rest von Europa, wenn die richtige Stadiongröße bei den italienischen Fußballvereinen mit den größten Fangemeinden bei 41.000 Plätzen liegt? Abbildung 4 zeigt die durchschnittliche Auslastung im Vergleich zur durchschnittlichen Stadionkapazität in den führenden europäischen Fußballligen. Oben rechts sieht man die „Großen Fünf“, die führenden europäischen Ligen in England, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien. Selbst in dieser Gruppe erreichen nur die englische und die deutsche Liga beständig eine hohe Auslastung ihrer Stadien. Es spricht vieles dafür, dass die meisten Vereine in Frankreich, Italien und Spanien dem Beispiel von Juventus folgen und ihre Stadionkapazitäten verringern sollten.

Oben links sehen wir die Niederlande, Belgien und Schottland. Diese Ligen scheinen das richtige Maß gefunden zu haben: Kleinere Stadien mit guter Auslastung (insbesondere in den Niederlanden, wo ein gewisser Ausbau möglicherweise gerechtfertigt wäre). Interessanterweise ist in diesen drei Ländern der Anteil der Stadionbesucher gemessen an der Gesamtbevölkerung am höchsten (wobei die Zahlen für Schottland wohl durch die Dominanz der zwei Giganten aus Glasgow, der Rangers und Celtic, verzerrt sind).

Der in vieler Hinsicht interessanteste Teil der Grafik befindet sich im mittleren Bereich. Es wird viel darüber spekuliert, aus welchem Land die nächste große Macht des europäischen Vereinsfußballs kommen wird. Russland und die Türkei gelten hier als vielversprechende Kandidaten. Wer letztendlich das Rennen macht wird stark von der wirtschaftlichen und geopolitischen Entwicklung in diesen Ländern und den Investitionen in die Spieler und die Mannschaft abhängen. In beiden Ländern gibt es große Investitionsprogramme für den Stadionbau, wobei die Art der Programme äußerst unterschiedlich ist.

In der Türkei ist das große staatlich geförderte Investitionsprogramm für den Stadionbau Teil eines großangelegten sozialen Infrastrukturprogramms, das sich auf Prognosen des Bevölkerungswachstums und des wirtschaftlichen Wachstums stützt. Die meisten Stadien, mit Ausnahme der Stadien der Top-Vereine, werden für eine Größe von 25.000 bis 40.000 Plätze konzipiert. In Russland dagegen ist die Ausrichtung der FIFA-Weltmeisterschaft 2018 die treibende Kraft für den Stadionbau. Dort werden 12 Stadien gebaut und modernisiert, die in diesem Turnier als Austragungsorte dienen. Diese Stadien haben mit Ausnahme von zwei Stadien alle eine Kapazität von über 44.000 Plätzen. Betrachtet man die durchschnittlichen Besucherzahlen in der russischen Premier League der letzten zehn Jahre (Abb. 5), so ist kaum nachzuvollziehen, wie diese Stadionkapazitäten ohne größere Veränderung der Fangemeinden wirtschaftlich nachhaltig sein können.

Abbildung 5: Entwicklung der Besucherzahlen in der russischen Premier League

Abbildung 5: Entwicklung der Besucherzahlen in der russischen Premier League
Source: european-football-statistics.co.uk

Erfolg ist planbar

Ein Verein, der derzeit das Wesen des russischen Fußballs verändert, ist Spartak Moskau. Das neue Stadion des Vereins, die Otkritie Arena, verfügt über 45.000 Plätze und wurde von AECOM geplant. Die Otkritie Arena ist das erste privat finanzierte Großstadion in Russland (Abb. 6). Der Verein hat sich ganz bewusst an den besten Stadien der englischen und deutschen Ligen orientiert und dabei besonderen Wert darauf gelegt, eine ganz neue Art von Fans anzulocken. Zu diesem Zweck wurden in dem Stadion VIP-Bereiche und familienfreundliche Einrichtungen geschaffen. Das Stadion war bereits in der ersten Spielzeit ein Riesenerfolg. Die Besucherzahlen steigerten sich über 100 %. Der Verkauf von Saisonkarten stieg um 60 %, und 90 % der VIP-Bereiche waren innerhalb von sechs Monaten nach der Eröffnung ausverkauft (Abb. 7).

Letztendlich basieren viele Investitionsentscheidungen im Fußball auf Eitelkeit und Emotionen und nicht auf harten wirtschaftlichen Fakten. Spartak jedoch hat gezeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg selbst in einem der schwierigsten Märkte Europas möglich ist, wenn man die richtigen Einrichtungen mit der richtigen Größe kombiniert. Kommt dazu noch der Erfolg auf dem Spielfeld, dann blickt der Verein einer goldenen Zukunft entgegen.

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